Lara Elaina Whitman

Meine Geschichten entführen Sie in das Reich der Fantasie.

Der gestohlene Zauber

Der gestohlene Zauber - ein Märchen in 24 Kapiteln

erhältlich derzeit als Kindlebuch

ideal zum Vorlesen in der Vorweihnachtszeit

---------------------------------

Lyrik und kurze Geschichten



Ab und zu schreibe ich kleine Gedichte, Songtexte oder kurze Geschichten.


Meine Kurzgeschichten und Gedichte habe ich bisher bei Sweek veröffentlicht, die leider in der alten Form nicht mehr im Netz zu finden sind, deshalb überlege ich gerade, ob ich selbst ein Buch mit meinen Geschichten veröffentliche, falls ich mir die Kosten leisten kann. Einge davon findet ihr auch auf meinem Blog: parilicum.blogspot.com oder auch hier.


Falls ihr meine Geschichten oder Lyrics mögt, freue ich mich über ein Feedback oder auch ein Like.


Vintagegirl

Mein Haar ist wie reines Silber,
wie das Mondlicht, das vom Himmel fällt.
Meine Fältchen um die Augen
sind Zeichen der Jahre,
die ich verbrachte auf dieser Welt.
An den Strapsen hängen blickdichte Strümpfe,
damit ich beim Blick auf meine Beine nicht die Nase rümpfe,
denn von Besenreisern und blauen Venen
lass ich mir den Mini nicht vergällen.
Doch lieber ist mir ohnehin die alte Jeans,
in der sich mein Hintern immer noch knackig anfühlt.
Ich lebe meinen Kleidungsstil,
auch wenn ich damit keine Ikone bin.
Nicht wichtig tausende Follower im Social Net,
Hauptsache ich finde mich adrett.
Kann einfach nur ich selber sein,
mich lachend jeden Tag erfreun,
gemeinsam mit dem Lieblingsmensch,
der bis in alle Ewigkeit zu mir hält.

Wenn in die Nebel der Erinnerung
entschwundene hormongetränkte Leidenschaft
mir keine Leiden mehr erschafft,
und der Apothekerbotendienst mir statt Binden
Inkontinenzwindeln bringt,
mir im Fernsehen Werbung für Altersmedizin
ins Auge springt,
dann ist es Zeit, die Tage zu genießen,
ob mit oder ohne körperliche Finessen.
Auch Liebesquantität ist längst dem sinnlichen Genuss gewichen,
der manchmal in den Tausch von Kochrezepten gipfelt.
So bin ich noch lange nicht bereit,
mich dem Altwerden zu ergeben,
und finde meinen selbstbestimmten Weg
durch dieses immer noch verrückte Leben.

Hängebacken und Jahresringe um den Hals,
lassen keinen Schönheitschirurgen kalt.
Doch durch mich wird nicht seine Kasse klingeln,
denn ich behalte die Furchen meines lebenserfahrenen Ringens.
Kopfschüttelnd verfolge ich den Jugendwahn in Medien und Beruf,
weiß ich doch, was ich in meinen Vintagejahren erst erschuf.
Die Meinung anderer ist mir nicht mehr so wichtig,
auch meine überflüssigen Pfunde machen sich längst nicht mehr so gewichtig.
Und quälen mich mal Hitzewallung, Zuckerspiegel,
Cholesterin und Muskelkrämpfe,
so verbanne ich diese Gespenster mit gemütlichem Wohlfühltraining,
anstatt mit Marathonkämpfen.
Denn wenn es auch manches Mal knackt und zerrt,
mein Körper sich so manchem verwehrt,
tanze ich freudig in den nächsten Morgen,
genieße das Leben und
vermeide Gedanken an unnötige Sorgen.

Meinen Handicaps schenke ich nicht mehr allzu viel Aufmerksamkeit,
nutze meine Kraft für fantastische Lebenszeit.
Und überfällt mich mal eine Depression,
suche ich schnell einen Ausgleich für die schwankende Emotion.
Vielleicht werde ich bald den Rollator schwingen
und im Rhythmus von Blues oder Rock
mit meinem Tanzpartner flirten.
Kann sein, dass ich auch mal vergesse einen Tag,
mich die Erinnerung an diese Lücke nicht mehr plagt.
Ich bin ein Vintagegirl,
fühle mich nicht alt, nicht jung,
zähle nicht mehr die Sommer,
die vielleicht nie mehr kommen,
doch freue ich mich über die Jahre,
die ich bereits hatte.
und bleibe mit beiden Beinen
ganz einfach auf der Matte.

Nichts gibt es nicht.
Nichts gibt es doch.
Nichts ist nichts.
    Nichts allein kann nicht sein.
Nicht gestern.
Nicht heute.
Nicht morgen.
Nichts ist der Anfang.
Nichts ist das Ende.
Nichts ist Ewigkeit.
Nichts ist Sein
und Sein ist Nichts.
Göttlich.

Copyright L. E. Whitman



Der Tag

    Der Tag erhebt sich,
aus dem Bett seiner Geliebten,
der Nacht.
Gelöst aus ihrer dunklen Umarmung,
vom Feuer der Sonne
entfacht.

Anfangs träge, nur ein schwacher
Schimmer.
Lächelnd zur morgendlichen
blauen Stunde,
erklimmt er die Höhen des
Himmels.

In bläulichem Leuchten
ein letzter Kuss,
für die dunkle Geliebte,
Erinnerung an Genuss.

Lässt er sie versinken
in seinem strahlenden Leben.
Sein letzter Blick
bringt sie zum Erbeben.

Mit einer Hymne
beginnt er sein Werk.
Die Geschöpfe der Welt
schenken ihm ihr Herz.

Seine glühende Mutter,
hoch oben am Firmament,
sieht stolz zu wie ihr Sohn
mit seiner Lichtflut
den Erdenball überschwemmt.

Das Leben erblüht
unter den Kaskaden von Strahlen,
die kurzen Schatten flüchten
in scharf umgrenzten Kanten.

Gleißende Helligkeit,
gespiegelt in seinem
leuchtenden Antlitz,
verbreitet er glitzernd
schläfrige Trägheit in der Hitze.

Voll Intensität
schreitet er voran,
braust über Länder, Ozeane,
Städte und Wälder,
doch allmählich
werden seine Schatten
wieder lang.

Sanftmut kehrt ein
in sein stürmisches Wesen.
Sehnsucht erfasst ihn
nach der Kühle der Geliebten.

Ihre dunklen Finger
greifen nach ihm,
ziehen ihn lockend hinüber
in ihr Reich der Finsternis.

Ermattet von seinem Werk
sein Leuchten versinkt,
bedachtsam, sanft
in rötlichem Licht.

Ein letztes Aufblitzen,
lange Schatten,
in erlöschendem Nichts.

Sinkt er müde
in die schützenden Arme
seiner Geliebten,
der Nacht,

die ihn erneut bettet
in ihrer samtenen
Sternenpracht.


copyright L.E.W.





Kurzgeschichte: PLAGE


»Stell dir vor, gestern konnte ich endlich den Minister bestechen, du weißt schon welchen.« Die Korrup-tion lächelte selig.
»Bravo! Na dann wird es nicht mehr lange dauern, bis wieder eine Menge Leute ihren Arbeitsplatz verlieren.« Die Armut neigte traurig ihr Haupt.
»Warts ab! Ich habe noch viel Größeres vor. Die Weltwirtschaft ist gerade so schön instabil. Da lässt sich noch mehr herausholen. Die Mächtigen werden immer gieriger.«
Die Armut warf einen resignierten Blick auf die Korruption.
»Typisch! Ich weiß gar nicht, warum ich mit dir befreundet bin. Wenn du so weitermachst, dann sind bald alle arm und ich kann mich vor Arbeit nicht mehr retten. Ich hab sowieso schon so viele Überstunden. Dabei würde ich lieber einmal wieder mit dem Reichtum ausgehen.«
»Mit dem! Wirklich? Das ist doch ein blöder Schnösel. Ich hab jeden Tag mit dem zu tun, schließlich braucht er mich, um manche Menschen unermesslich reich zu machen. Da weiß ich was Besseres für dich.«
»Was denn?«
»Geh doch mit dem Tod aus. Er ist witzig, wenn man von seinem düsteren Outfit einmal absieht. Außerdem passt er zu dir. Armut und Tod gehörten doch schon immer zusammen.«
»Nein, danke. Der geht lieber mit der Krankheit ins Bett, der blöden Pute.«
»Ja, aber du bist viel hübscher, mit deinem ausgehungerten Gesicht und deinen großen traurigen Augen.« Die Korruption wischte sachte die Träne fort, die der Armut über die ausgemergelte Wange lief.
»Hab keine Angst. Der Richtige kommt schon noch. Schau dich doch mal bei den Plagen um.«



Drei Nüsse für Malwina

 

Ein wenig missmutig lief Malwina den Weg im Park entlang. Den Weg kannte sie in- und auswendig, da sie ihn schließlich jeden Tag nehmen musste, genauso, wie sie sich jeden Tag fragte, ob sie wirklich wieder dorthin gehen wollte. Warum tat sie das eigentlich? Nur wegen der blöden Kröten? Nur um ihre viel zu teure Wohnung bezahlen zu können? Ihre Laune sank gegen den Nullpunkt, als auch noch Nebel aufzog. Kleine Pilze bildeten einen Ring auf der Wiese neben dem Weg. Ein deutliches Zeichen, dass es Herbst geworden war. Ein feuchter und ein wenig kalter Herbst, nach einem sehr trockenen Sommer. Die Blätter an den Bäumen waren schon ganz rot. Die Bäume ließen ihre Zweige hängen. Sie taten Malwina fast leid. Ob sich die Bäume auch so traurig fühlten, wie sie? Blätter rieselten herab, blieben auf dem Boden liegen und der Wind verteilte sie über die gemähten Rasenstücke im Park. Gärtner waren noch keine da um diese Zeit, die die Blätter zu fein säuberlich geschichteten Haufen auftürmten.

Malwina wickelte sich fester in ihren roten Schal. Ihr war kalt. Ihre Finger klammerten sich um die Tasse ihres Coffee-to-Go, den sie auf dem Weg zur Arbeit im Stehcafé der Bäckerei gekauft hatte, in ihrer eigenen Thermotasse. Langsam trabte sie den Kiesweg entlang. Die Steine knirschten unter ihren Stiefeln, sonst war es still. Es war ja erst halb acht Uhr morgens, also ziemlich früh. Die Leute würden erst später kommen, den Park bevölkern, ihre Hunde spazieren führen, ihre Kinder in den Kindergarten bringen. Malwina seufzte tief. Sie sollte sich nicht so gehen lassen. Es war ja gar nicht so schwer. Immerhin hatte sie einen Job. Viele ihrer Freundinnen hatten keinen. Eigentlich wäre Malwina lieber für ein Jahr nach Neuseeland gegangen. Neuseeland war ihr Traumland. Da wollte sie unbedingt einmal hin, aber sie konnte es sich nicht leisten. Ihre Eltern waren leider nicht reich, kamen kaum klar mit dem, was sie verdienten. Das tat Malwina weh. Sie liebte ihre Eltern. Es waren herzensgute Menschen, die lieber anderen halfen, als sich selbst etwas zu gönnen. Malwina hätte ihnen so gerne geholfen, aber das konnte sie leider nicht. Sie konnte ja nicht einmal sich selbst ausreichend versorgen. Ihr Job in der kleinen Spedition, auf der anderen Seite des Parks, war nicht besonders gut bezahlt. Nach ihrem Abitur hatte Malwina eine Ausbildung zum Speditionskaufmann gemacht und war nun verantwortlich dafür, dass genügend Aufträge hereinkamen, damit die speditionseigenen Lastkraftwagen ausgelastet waren. Den Job hatte sie sich ursprünglich anders vorgestellt. Sie dachte, dass sie wenigstens auf diesem Weg etwas mehr von der Welt mitbekam, aber die Fahrer waren allesamt nicht sehr gesprächig und diejenigen, die auch weiter in den Orient mit ihren LKWs reisten, berichteten nur über die Schwierigkeiten, die sie auf den oftmals gefährlichen Straßen dieser Länder hatten. Auch die Kollegen, die in der Geschäftsstelle in Neuseelands Hauptstadt Wellington arbeiteten, erzählten gar nichts, wenn sie zurückkamen. Malwina traute sich nicht, sich für eine Stelle dort zu bewerben. Ihr Chef schickte lieber männliche Kollegen, die er für durchsetzungsfähiger hielt. Doch dies hier war nicht, was Malwina gewollt hatte. Sollte ihr Leben so weitergehen? Bis zum Schluss? Malwina grauste es vor diesem Gedanken. Sie war ja erst zweiundzwanzig und das hier sollte schon alles gewesen sein? Wenn sie doch mehr Mut hätte! Dann würde sie einfach alles hinwerfen und losziehen. Ihre Laune war durch die Grübelei wahrhaft nicht besser geworden. Malwina schimpfte sich einen Idioten. Sie sollte sich nicht ständig beklagen. Immerhin hatte sie ein Auskommen und nette Kollegen, denn sie war die einzige Frau in der Spedition.

Endlich war sie da, bei ihrer Bank unter der großen, alten Eiche, auf die sie sich jeden Morgen für eine halbe Stunde setzte, um den Blick über den Park zu genießen. Bevor sie sich in die Betonwüste des Industriegebietes begab, wollte sie die Natur fühlen. Malwina liebte Bäume, je mehr desto besser. Deshalb war sie auch so vernarrt in Neuseeland. Kühles Wetter machte ihr normalerweise nichts aus. Warum sie ausgerechnet heute damit ein Problem hatte, wusste sie nicht. Vorsichtig setzte sie sich auf die etwas feuchte Bank und nahm den Deckel von ihrer Kaffeetasse ab. Den Deckel steckte sie in ihre Jackentasche. Dann nahm sie einen kleinen Schluck. Der Kaffee war noch heiß. Die neue Thermotasse war wirklich Klasse. Zufriedenheit begann sich in ihr zu regen. Es war das gleiche Gefühl, welches sie hatte, wenn sie nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag eine heiße Gemüsesuppe aß.

Langsam ließ Malwina ihren Blick über die Landschaft schweifen. Die Parkanlage war im englischen Stil angelegt. Von dem kleinen Hügel aus, dessen Hang sanft zu einem winzigen Teich abfiel, konnte sie alles gut überblicken. Am Ufer des Teichs stand ein kleiner, weißer Pavillon. Reste von Seerosen schwammen auf dem Teich und ein paar Blätter, die der Wind herangeweht hatte. Weiter hinten gab es ein kleines Wäldchen. Wege schlängelten sich sanft über die Grasflächen. Dieser Teil des Parks hatte etwas Verwunschenes, Unwirkliches an sich. Am liebsten wäre sie den ganzen Tag sitzen geblieben, aber das ging natürlich nicht. Außerdem war diese morgendliche halbe Stunde kostbar und sollte keine Gewohnheit werden. Malwina nippte an ihrem Kaffee.

Ihr Blick fiel auf den Boden. Unter ein paar Blättern lugte eine Eichel hervor. Malwina stellte die Tasse auf der Bank ab und bückte sich. Vorsichtig zog sie die Eichel unter dem Blätterteppich heraus. Es war nicht nur eine, sondern drei. Sie hingen aneinander. Drei Eicheln. Verzückt betrachtete Malwina die drei hellbraunen, länglichen Nüsse mit der kecken Kappe oben drauf. Sie konnte sie zwar nicht essen, Eicheln schmeckten nicht gut, wegen ihrer Bitterstoffe, aber sie würde sie trotzdem mitnehmen und neben ihr Bett legen. Schade, dass ihr diese Nüsse keine Wünsche erfüllen würden, so wie im Märchen. Vermutlich waren Eicheln auch die falschen Nüsse für so etwas. Im Märchen waren das Haselnüsse, aber Malwina war sich da nicht ganz sicher. Es war ja auch egal, schließlich gab es so etwas in der Realität ohnehin nicht. Aus diesen Nüssen würde keine Kutsche, ein Pferd, Mäuse und ein tolles Kleid werden. Und den Prinzen gab es schließlich auch nicht. Dem war Malwina ja noch nicht einmal begegnet. Sie schob die Nüsse in die Tasche ihres Mantels.

Als sie nach ihrem Kaffee greifen wollte, hielt sie verwundert inne. Auf der Bank neben ihr, ganz am Ende, saß ein Eichhörnchen und blickte sie mit seinen dunklen Augen zutraulich an. Malwina hielt die Luft an und rührte sich nicht. Das Eichhörnchen hüpfte nervös auf der Bank hin und her und beobachtete sie. So schien es Malwina, aber das war sicher Einbildung, doch ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Ob das Eichhörnchen wegen der Eicheln da war? Malwina überlegte nicht lange. Vorsichtig zog sie die drei Eicheln aus der Tasche. Das Eichhörnchen richtete sich auf seinen Hinterpfoten auf und blickte nervös auf die Nüsse. Langsam streckte Malwina ihren Arm aus, ganz langsam, um das hibbelige Tierchen nicht zu erschrecken. Das Eichhörnchen dachte nicht an Flucht. Es war sehr mutig. Mit einem raschen Satz hüpfte es die Bank entlang und pflückte mit seinen kleinen Pfoten die Eicheln aus Malwinas Hand. Dann jagte es mit einem leisen Keckern über die Wiese hinter der Bank davon, zu dem Arboretum, in dem große, uralte Bäume standen. Ein morgendlicher Lichtstrahl schoss durch die Wolken herab und kleidete die Szenerie in ein helles, freundliches Licht. Malwina lächelte und fühlte sich plötzlich glücklich. Dann stand sie auf und ging beschwingt den Weg entlang in ihre Arbeit. Heute würde sie ihren Chef fragen, ob sie dieses Mal nach Neuseeland durfte, in die Auslandsgeschäftsstelle. Es wurde Zeit genauso mutig zu sein, wie das Eichhörnchen. Das Leben wartete auf sie.


ERINYSAGA - FANFICTION

Eine kurze Geschichte aus Aremar. Ihr wollt doch sicher wissen, was aus Grauwurzels Spross geworden ist.

Wir standen vor dem großen Schloss auf der Insel der Feenkönigin im Zaubersee. Es war Nacht, eine milde, frühsommerliche Nacht, durchdrungen von dem lauten Gesang zirpender Grillen. Große bizarre Schmetterlinge umflatterten duftende Blüten, die überreich an Sträuchern hingen, die nur in der Dunkelheit blühten. Der Mond schwebte über der Szenerie, groß und silbrighell, mit einem Ring um seine Mitte wie Saturn und verstärkte die Unwirklichkeit dieses Ortes.

»Bist du nervös?« Emarell Goldschwinge warf mir einen kritischen Blick zu.

»Wie kommst du darauf?«

Natürlich war ich nervös. Schließlich wird man nicht jeden Tag vor den königlichen Rat gezerrt. Mein letztes Zusammentreffen mit Shirinell Drachenfeder, der Königin der Feen, war schon eine Weile her. Damals hatte ich noch keine Ahnung wer ich wirklich war. Das hatte sich nun geändert, machte es aber nicht besser. Ich konnte die Feenkönigin einfach nicht leiden, vor allem, weil sie mir in all dem Schlamassel, welches ich hatte durchmachen müssen, nicht geholfen hatte. Kein bisschen. Das nahm ich ihr immer noch übel.

»Du kannst es nicht hinauszögern. Lass dich nicht einschüchtern. Ich bin ja so gespannt.« Emarell nahm meinen Arm und zog mich mit sich.

»Gespannt! Du untertreibst.« Mir war übel vor Aufregung. Ich sollte meine Tochter kennenlernen. Meine Tochter, die ich mit Grauwurzel hatte, dem Baumdämon. Bis heute hatte ich nicht einmal gewusst, dass ich Mutter war. Das war einfach nur abgefahren.

Wir liefen den langen Gang entlang, vorbei an den Wappen der vier Feenhäuser und betraten schließlich den Thronsaal. Shirinell Drachenfeder saß auf ihrem modernen Thron, umgeben von ihrem Hofstaat und hatte ihr übliches kühles Lächeln aufgesetzt. Das erweckte den Wunsch in mir einfach wieder zu gehen, doch ich nahm mich zusammen, denn mein Blick blieb an einem etwa achtjährigen Mädchen hängen, das vor dem Thron der Königin stand, stocksteif und ein wenig verloren. Mir blieb die Luft weg. Das musste sie sein. Sie sah mir tatsächlich ähnlich, bis auf den Umstand, dass ihre Haut graubraunfarben war und ihre Haare nicht rotbraun waren, so wie meine, sondern eher dunkelbraun mit einem rötlichen Ton darin. Aber die Locken waren genauso wie bei mir.

Das Kind richtete seinen Blick auf mich. Ich hielt die Luft an, denn aus dem herzigen Gesichtchen leuchteten mir Augen wie zwei Peridotsteine entgegen, grasgrün, ein deutliches Zeichen der Verwandtschaft mit den Dunkelelben von Drun. Diese Augen musterten mich nun gründlich von oben bis unten. Ein strahlendes und auch ein wenig erleichtert wirkendes Lächeln, erschien in dem bezaubernden Gesicht und ein leiser, weicher und sehr hoher Ton kam aus seinem Herzmund, der ein warmes Gefühl in mir hinterließ. Wie ich an der Reaktion der Anwesenden feststellen konnte, ging das nicht nur mir so.

»Mama!«, sang die Kleine und mir blieb vor Schreck fast mein Herz stehen.

»Saraell Sturmmöwe! Dies ist deine Tochter. Wähle einen Namen für sie. Du bist ab jetzt für ihre Ausbildung verantwortlich. Außerdem ziehe ich dir die Strafgebühr für das nicht genehmigte Verschenken eines Lebensfunkens und die Kosten für das königliche Dekret von deinem Lohn als Hüterin der Triskelepfade ab. Ihr könnt jetzt gehen.«

Shirinell Drachenfeder erhob sich und übergab das Zepter an Rosaell Drachenfuß, ihrer Nachfolgerin auf dem königlichen Thron der Eriny. Ohne mir einen weiteren Blick zu schenken, rauschte Shirinell Drachenfeder an mir vorbei, ihren Hofstaat im Schlepptau und fort war sie.

»Mach dir nichts daraus, Saraell. Sie ist alt und die Geschichte mit Gundaell Morgentau hat ihr ganz schön zugesetzt. Es ist schön dich zu sehen. Und auch dich, Emarell Goldschwinge. Komm, begrüße deine Kleine. Sie ist bezaubernd. Wir lieben sie jetzt schon sehr, auch wenn das gerade nicht so ausgesehen hat.« Rosaell Drachenfuß winkte uns zu sich.

Zögernd ging ich nach vorne. Meine Stiefel hallten auf dem steinernen Boden. Wie sollte ich mich verhalten? Doch das kleine Wesen nahm mir meine Hemmnisse. Es warf sich einfach in meine Arme und lachte, glockenhell und so bezaubernd, dass ich nicht anders konnte, als sie an mich zu drücken und dann lachte ich auch.

»Hast du einen Namen für mich?«, fragte das Mädchen.

Darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Wie sollten wir sie nennen? Ich blickte ein wenig hilflos zu Emarell.

»Du musst wählen, Saraell. Ich kann dir da leider nicht helfen.«

Ich seufzte innerlich. Warum waren Feen nur so kompliziert? Hätte ich doch nur Wresh mitgenommen. Er wüsste bestimmt, was ich nun tun sollte. Krampfhaft versuchte ich mich an alle Namen zu erinnern, die passend wären, aber mir fiel partout nichts ein. Mein Kopf fühlte sich an wie Watte. Vielleicht ging ich das falsch an.

»Also gut. In jedem Fall bekommst du den gleichen Familiennamen wie ich, Sturmmöwe, und du gehörst von nun an zum Haus Cygnor. Jetzt brauchen wir noch einen Vornamen. Hast du denn einen Wunsch?«

»Ja! Grauwurzel hat mir einen Namen gegeben, aber ich fürchte, den kann keiner aussprechen. Ich möchte einen Feennamen.«

»Grauwurzel hat dir einen Namen gegeben? Wir sollten ihn in jedem Fall als zweiten Vornamen hinzufügen.«

Der Gedanke an meinen toten Freund machte mich sehr traurig.

»Du brauchst nicht traurig zu sein. Er lebt in mir weiter. Er war sehr glücklich über dein Geschenk. Er war ein guter Vater. Ich liebe ihn sehr.«

Überrascht betrachtete ich das Kind in meinen Armen. Woher wusste sie, dass mich das so traurig machte? Die Kleine lächelte nur verständnisvoll und gar nicht kindlich. Sanft streichelte sie mit ihrer kleinen Kinderhand mein Gesicht. Erstaunt bemerkte ich, dass ihre Haut ganz weich und zart war. Ich hatte erwartet, dass sie sich wie die von Grauwurzel anfühlen würde, wie ein Baumstamm eben, aber das traf nicht zu. Sie fühlte sich absolut menschenähnlich an, wie ein fast normales Kind. Überhaupt hatte sie nicht viel von dem Baumdämon, bis auf die Eigenart, sich eng an mich zu drücken. Zumindest das hatte sie mit Grauwurzel gemeinsam. Er war auch sehr anhänglich gewesen. Kein allzu beruhigender Gedanke für mich. Musste ich dieses Kind jetzt immer mit mir herumschleppen? Ich war noch nicht bereit für eine Mutterrolle, als alleinerziehende Mutter sozusagen, denn Grauwurzel war ja nicht mehr da. Und mir Grauwurzel als Vater vorzustellen war völlig unmöglich für mich. Verwirrt schob ich die Gedanken von mir. Das brachte mich der Lösung des Problems nicht näher. Das Kind brauchte einen Namen. Ich stand auf und nahm das Mädchen bei der Hand.

»Ich vermisse Grauwurzel sehr und außerdem verdanke ich ihm sehr viel. Komm, lass uns einen Feennamen für dich finden.«

Emarell grinste nur belustigt und folgte uns hinaus. Zusammen gingen wir hinunter ins Archiv. Das Archiv war tatsächlich so, wie ich es erwartet hatte. Es befand sich im Untergeschoss des Schlosses, in einem der großen Kellergewölbe. Eine Unmenge Regale standen hier, alle penibel sauber gehalten. Darin lagen tausende von Papierrollen und Urkunden. Es dauerte eine Weile, bis wir den Bereich mit den Geburtsurkunden der Feen gefunden hatten. Ich begann zu blättern, Rollen auseinanderzuziehen, Dokumente durchzusehen. Es war wirklich schwer. Es gab eine Menge Namen. Viele waren sehr seltsam, manche unaussprechlich, doch nichts schien mir passend zu sein für dieses Geschöpf, das nun meine Tochter war.

Ich betrachtete das Kind eine Weile, das sich vertrauensvoll an meinen Arm schmiegte, und dann wusste ich plötzlich, wie ich sie nennen würde.

»Was hältst du von Gienaell? So hieß meine Mutter. Sie war sehr tapfer.«

Das kleine Dämonen-Feen-Mädchen blickte mich mit einem tiefgründigen Augenausdruck an und nickte schließlich.

»Ja, das gefällt mir. Ich bin nun und für alle Zeit Gienaell Krkzebrakzebrkozek Sturmmöwe, die Nachfahrin der tapfersten Feen und Baumdämonen auf Aremar. Ich bin sehr stolz darauf. Vielen Dank, Mama!«

»Willkommen in unserer Familie, Gienaell!«, sagte Emarell Goldschwinge herzlich.

Ich war froh, dass sie den unaussprechlichen Namen nicht erwähnte, den Grauwurzel dem Mädchen gegeben hatte. Rasch nahm ich das Kind in den Arm, aber ich vermied es, ihm einen Kuss zu geben. Wer weiß, ob dann noch ein Spross wachsen würde. Ein Kind auf diese seltsame Art zu bekommen, war vorerst genug für mich.